Zurückblicken – nach vorne schauen. Was hat die Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen mit uns zu tun?
Eine Spurensuche am historischen Ort durch junge Erwachsene aus der Jugendforensik
Eine Woche lang beschäftigte sich eine Gruppe von jungen Erwachsenen mit der Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen im Nationalsozialismus. Das besondere daran: Bei der Gruppe handelt es sich um Patienten aus der Jugendforensik der heutigen Karl-Jaspers-Klinik. Unweigerlich stand der Vergleich zwischen früher und heute im Raum.
So entstand eine Gegenüberstellung von historischen und aktuellen Fotos, es wurden kurze Texte verfasst, Ideen für eine digitale Präsentation entwickelt und – mit Unterstützung des regionalen Radiosenders Oeins – ein Podcast aufgenommen.
Bereits im Vorfeld des Projekts wurde von den Teilnehmenden der Wunsch geäußert, sich mit den Lebensgeschichten forensischer Patient:innen im Nationalsozialismus auseinanderzusetzen. Dies wurde zum Anlass genommen, die Schicksale von sechs Patient:innen zu recherchieren, die im April 1944 aus der Anstalt Wehnen ins KZ Neuengamme bzw. nach Ravensbrück deportiert wurden.
Zunächst aber beschäftigte sich die Projektgruppe mit der Geschichte der Heil- und Pflegeanstalt Wehnen. Dazu gehörte auch ein Besuch der Gedenkstätte. Besonders interessierte die medizinische Behandlung und Unterbringung im
Nationalsozialismus. Schockierend war die Tatsache, dass Patient:innen starben, weil man sie verhungern lies. Immer wieder stand die Frage im Raum, wie und warum dies möglich war. Aber auch der Vergleich zu heute lag für die Projektteilnehmer auf der Hand. Was hat sich in den letzten 75 Jahren verändert und warum? Die Gedanken dazu hielten die Teilnehmer in einem Podcast fest. Zu den forensischen Patienten wurden Krankenakten gelesen und Dokumente studiert. Drei der Biographien sind nun – zusammen mit den anderen Projektergebnissen – auf der Homepage des Gedenkkreises nachzulesen.
“Hilf anderen in der Not. Jeder braucht sein täglich Brot. Arbeit oder nicht – der Unterschied ist groß. Die einen kriegen Essen – die anderen Verbot. Euthanasie – schlimmer Hungertod. 75 Jahre her. Niedersachsen sind dabei. Zum Glück ist vorbei die Weltkriegszeit. Steh für andere ein – sei bereit. Freu dich über jede Kleinigkeit.
Hajo, Projektteilnehmer
“Verantwortung für die Vergangenheit übernehmen. Die Bürger wie der Staat. Für die Taten. Für die Fehler. Um es in Zukunft besser zu machen. Auf dass es sich nicht wiederholt.
Gemeinsam von mehreren Projektteilnehmern verfasst.
Ich schaue heute mit einem anderen Blick auf diesen Ort“, äußerte einer der Teilnehmer am Ende des Projekts. Vieles, über das im Projekt gesprochen wurde, war für die Teilnehmenden neu. Ungewohnt war aber auch die Form des Miteinander-Arbeitens: Sich gemeinsam mit anderen so intensiv mit einem Thema auseinanderzusetzen, kostete viel Kraft und manches Mal auch Überwindung. Aber am Ende waren alle zufrieden und sich einig, dass man das Projekt gerne wiederholen würde. Dann vielleicht zum Thema Rassismus!?
von
Patienten und Mitarbeiter:innen der Jugendforensik der Karl-Jaspers-Klinik
in Zusammenarbeit mit Sarah Pfeiffer, Sina Pollmann und Hedwig Thelen